Ein Beispiel aus der Praxis

Wir konnten in der Vergangenheit die Erfahrung machen, dass auch Jugendliche, die über wenig oder keine metakognitiven Fähigkeiten verfügen, im Alltag davon profitieren, wenn an den (nicht bewussten) Reinszenierungen ihrer Beziehungsentwürfe gearbeitet wurde. Zur Veranschaulichung ein Beispiel aus der Arbeit mit dem Jugendlichen S. im Rahmen der Entwicklung von Denkzeit-interaktionell:

 

Herr S. ist ein 19jähriger junger Mann, der schon in seinen frühen Beziehungen durch Gewalt und Vernachlässigung traumatisiert wurde. Er neigt zu Fehlattribution und reagiert auf vermeintlich bedrohliche Hinweisreize mit teilweise ungesteuerter Aggressivität. Seine feindseligen Projektionen erkennt er trotz pädagogischer Unterstützung nicht und auch im Denkzeit-Training gelang es nicht, die inneren Konflikte bewusst zugänglich werden zu lassen. Der junge Mann war nicht in der Lage, über seine Situation zu reflektieren und Zusammenhänge herzustellen, wenngleich er unter den ständigen aggressiven Auseinandersetzungen litt, die ihm „passierten“. Zwar leidet er unter dem Zustand, lehnt aber jede therapeutische Behandlung vehement ab.

 

In der Arbeit mit der Pädagogin zeigten sich eben jene feindseligen Zuschreibungen. Er übertrug seine sadistischen, quälerischen und destruktiven Anteile und erklärte zunächst ständig, wie ungerecht und willkürlich behandelt er sich fühle, worauf er meist verbal aggressiv und mit Grenzüberschreitungen reagierte. Mithilfe der eindeutigen, haltgebenden Begrenzung durch den Rahmen des Trainings konnte er die Beziehung aushalten, auch wenn er durch sein Verhalten immer wieder Situationen inszenierte, die bei der Pädagogin heftige Distanzwünsche und den Wunsch nach aggressiven Antworten auslösten.

In einem herkömmlichen sozialpädagogischen Programm würde in einem solchen Fall weiter versucht, soziale Kompetenzen, wie z. B. Perspektivenübernahme oder Affektkontrolle, zu entwickeln. Bei diesem jungen Mann griffe dieses Herangehen jedoch zu kurz: Fühlte er sich „in Sicherheit“, war er durchaus in der Lage die Perspektive zu übernehmen, in konflikthaften Situationen suspendierte er diese Fähigkeit jedoch zugunsten existenzieller Abwehrstrategien.

 

Mit dem interaktionellen Vorgehen konnte es gelingen, die Konflikte, die zwischen dem Klienten und der Pädagogin unmittelbar auftraten, im Handeln zu beantworten, ohne die negativen Beziehungsentwürfe des Jugendlichen erneut zu bedienen. Durch selektive Authentizität der Pädagogin wurde für den Jugendlichen erfahrbar, welche Reaktionen er auslöste und er erkannte, dass ihm genau diese Reaktionen auf sein Verhalten sehr vertraut, wenn auch unverständlich waren. Zum Ende des Trainings berichtete der junge Mann, dass er sich zwar nicht geändert hätte (und insofern das Training eigentlich nicht viel gebracht habe), aber die Menschen in seiner Umgebung (dabei bezog er auch ihm fremde Menschen mit ein) jetzt anders mit ihm umgingen. Sie seien weniger feindselig, so dass er sich deshalb weniger häufig verteidigen müsse. Insgesamt sei er deshalb ruhiger geworden. Er stellte sich die Frage, warum die anderen sich nicht schon früher angemessen verhalten hätten, zog aber nur kurz in Erwägung, dass er selbst sein Verhalten und seine Sicht geändert habe.

 

Das Beispiel aus der Arbeit mit der Methode Denkzeit-interaktionell illustriert, dass Verhaltensänderungen vor allem in sozialen Beziehungen wirksam werden. Mit dem Training kann im Idealfall ein Verständnis über die eigenen Arbeitsmodelle erreicht werden, mindestens jedoch eine (ggf. nicht bewusste) Verbesserung der Funktionen, die zur Selbst- und Beziehungsregulierung nötig sind.

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